Seitdem China im Jahr 2001 der WTO beigetreten ist, setzte es nach und nach einen Großteil der vereinbarten Beitrittspflichten um. Die chinesische Wirtschaft profitierte stark vom Beitritt in die Welthandelsorganisation und wies in den Jahren 2002 bis 2011 ein durchschnittliches, jährliches Wirtschaftswachstum von 10,7% auf. Obwohl China der Status einer Marktwirtschaft zum Ende 2016 zugesichert wurde, welcher innerhalb der WTO verschiedene Privilegien bringen würde, lehnen die EU und die USA die Anerkennung des Status bisher ab, da das Wirtschaftssystem von einer echten Marktwirtschaft aufgrund der starken Involvierung des Staates in die Wirtschaft noch weit entfernt sei. Bereits über 40 Mal wurde China in Anti-Dumping-Verfahren, sowie aufgrund mangelnden Schutzes geistigen Eigentums vor der Schlichtungsstelle der WTO angeklagt – dies würde nach der Anerkennung als Marktwirtschaft nicht mehr so leicht gehen. Mehr Klagen bekamen bisher nur die USA und die EU. China bringt sich auch selber aktiv in die WTO ein. So wurden zu Beginn des Jahres 2018 die Strafzölle der USA gegen chinesische Produkte vor der Schlichtungsstelle diskutiert.

Am 13. Mai 2019 reichte die Volksrepublik nun einen Reform-Vorschlag bei der WTO ein. Dieser baut auf einem Positionspapier auf, den China bereits im November 2018 veröffentlicht hatte. Im jetzigen Vorschlag werden notwendige Reformen erläutert, die unerlässlich seien, um „die derzeitige Krise zu bewältigen, auf die Bedürfnisse unserer Zeit zu reagieren, das multilaterale Handelssystem zu schützen und den Aufbau einer offenen Weltwirtschaft zu fördern“. China fokussiert sich dabei auf vier Bereiche, in denen Reformen stattfinden müssen:

  1. Lösung entscheidender und wichtiger Fragen, die die Existenz der WTO bedrohen
  2. Erhöhung der Relevanz der WTO für die globale Wirtschaftsordnung
  3. Verbesserung der operativen Effizienz der WTO
  4. Verstärkung der Einbindung des multilateralen Handelssystems.

Der Antrag auf Reformen steht im Zeichen des aktuellen Handelskonflikts zwischen China und den USA. Die USA werden im Papier zwar nicht explizit genannt, jedoch wird im ersten Reformbereich von einem „bestimmten Mitglied“ gesprochen, welches unter Berufung auf die nationale Sicherheit und ohne die entsprechenden Regeln einzuhalten, Handelsbeschränkungen aufgebaut, Zölle erhoben, sowie „sekundäre Sanktionen“ auf ausländische Geschäftstätigkeiten ausgeweitet habe. Dies sei alles ohne Genehmigung der Vereinten Nationen und ohne Rechtsgrundlage nach internationalen Verträgen geschehen. China wünsche sich in so einem Fall eine Autorisierung unverzüglich und wirksam Abhilfemaßnahmen ergreifen zu dürfen.

Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen und den Einschränkungen des chinesischen Unternehmens Huawei durch die USA, wird die Umsetzung solcher Reformen für China noch drängender. Um den Handelskonflikt über die Schlichtungsstelle der WTO abzuwickeln, müsste diese jedoch weiterhin personell ausgestattet werden. Aufgrund einer Blockade der USA wird nach aktuellen Entwicklungen ab Dezember 2019 nur noch ein aktives Mitglied im Revisionsgremium einen Sitz haben. Hier müsse nach Ansicht Chinas dringend nachbesetzt werden, um eine Handlungsfähigkeit der WTO zu gewährleisten.

Interessant sind in diesem Zusammenhang noch der Artikel 21 des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen GATT, sowie der Artikel 40 des chinesischen Gesetzes zu ausländischen Investitionen (Foreign Investment Law).

Artikel 21 GATT sieht vor, dass in Zeiten von „ersten Krisen in den internationalen Beziehungen“ Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die die „wesentlichen Sicherheitsinteressen“ eines Landes schützen. Unter diesem Gesichtspunkt könnten sowohl von Seiten der USA der Beginn des Handelskonflikts, als auch von Seiten Chinas die entsprechenden Vergeltungsmaßnahmen gerechtfertigt werden.

Das Foreign Investment Law, das im März 2019 verabschiedet wurde und am 1. Januar 2020 in Kraft treten wird, enthält in Art. 40 Regelungen zu handelspolitischen Maßnahmen. So können diskriminierende Verbote, Beschränkungen und ähnliche Maßnahmen gegen China in entsprechendem Maße vergolten werden. Im Falle der Diskriminierung Huaweis ist also abzuwarten, welche Maßnahmen nun US-amerikanische Unternehmen treffen, die in China ansässig sind.

JT